Edinburgh

Ende Mai besuchte ich mit Laure meinen alten ETH-Weggefährten Adi in Edinburgh. Adi arbeitet als Post-Doc an der University of Edinburgh und seine Tätigkeit ist so kompliziert, dass ich sie hier nicht eingehend erläutern kann. Ich sage nur so viel: er hat herausgefunden, dass der Hund genetisch näher mit dem Mensch verwandt ist als die Maus.
Um es vorweg zu nehmen: das Wochenende war grossartig, und dies war vor allem ein Verdienst von Adi, Weltklasse-Gastgeber Hilfsausdruck. Er hat uns geduldig durch die Stadt geführt und alles erklärt, alles gezeigt, alles mit grossem Sachverstand erläutert, ein Freundeführer von seltener Qualität. Falls du das jemals liest: Danke schön.
Zu meinem Leidwesen befiel mich kurz nach der Ankunft eine grippeähnliche Erkrankung, welche mir einige Tage Halsschmerzen und einen pochenden Schädel bescherte (mögliche Ursachen: Wind, Regen). Die unermüdliche Arbeit der Pharma-Industrie sei hier lobend erwähnt, die mir den Aufenthalt in Edinburgh dank ihrer hocheffizienten Medikamente erheblich erleichtert hat.
Gemessen an meiner Besichtigungsträgheit haben wir erstaunlich viel gesehen und unternommen: Stadt in ihrer gesamten Länge und Breite durchwandert, Abstecher in die National Gallery, Burg besichtigt, Hausberg bestiegen, Bier im Pub getrunken, gefolgt von einem rauchigen Whiskey, in einem Restaurant mit Blick auf das Meer gesessen, beim besten Inder der Stadt gegessen.
Ein wichtiges Ziel habe ich bedauernswerterweise nicht erreicht: Golf spielen. Das wollte ich unbedingt. Doch als wir auf dem Golfplatz ankamen (ein sogenannter Pitch and Put inmitten der Stadt) stellten wir fest, dass man keine Schläger mieten konnte, sondern diese selber hätte mitbringen müssen. Also schauten wir den anderen ein wenig beim Golfen zu, ehe wir von dannen zogen.
Was immer wieder überrascht (um nicht zu sagen befremdet) ist die überaus offenherzige Bekleidung der Schottinnen am späteren Abend (bzw. die Abwesenheit derselben). Egal ob dick oder dünn, gross oder klein, hübsch oder hässlich, man zeigt, was man hat. Am besten grell leuchtend und auf Stöckelschuhen balancierend. Mit einem Wort: offensiv. Denn es stimmt natürlich: vorne werden die Tore geschossen.
Übernachtet haben wir bei George und Carole an der McDonald Road, unweit von Adis Wohnung. Bed & Breakfast mit gemütlichem Zimmer und reichhaltigem Frühstück (Sausage, Bacon, Tomatoes, Black Pudding, Scrambled Egg, Toast, Tea, Coffee, Orange Juice). Wenn du mal nach Edinburgh reist, dann bei Carole und George das Zelt aufschlagen, du wirst es nicht bereuen.
Eine lustige Geschichte, die uns Adi vor dem Schottischen Parlament erzählt hat, pass auf: die Schotten stimmten 1997 darüber ab, ob sie ein eigenes Parlament haben wollen, quasi partieller Abschied vom Königreich. Am Abend vor der Abstimmung soll in allen schottischen Kinos der Film Braveheart, der das Leben des schottischen Unabhängigkeitskämpfers William Wallace erzählt, gezeigt worden sein. Ein geschickter Schachzug. Die Abstimmung am folgenden Tag war reine Formsache.
Das Wochenende war viel zu schnell vorbei. Ehe wir uns versahen, sassen wir schon wieder im Bus, der uns zum Flughafen brachte. Dort setzten wir uns in ein Restaurant, assen ein letztes Sandwich und liessen das Wochenende im Geiste Revue passieren. Es war einer dieser magischen Augenblicke der Zufriedenheit, an einem fremden Ort, umgeben von nichts als Ruhe.
Hätte ich noch Geld übrig gehabt, ich hätte eine Flasche Schottischen Whisky gekauft. Aber da war nicht mehr viel. Alles, was mir noch blieb, waren vier mickrige Pfund, die ich in eine Schachtel Assorted Toffees investiert habe, die nach Aussagen meiner Eltern vorzüglich schmeckten.
Wir verliessen Edinburgh, als die Sonne schien und keine Wolke den Himmel trübte und von sehr Nahe sahen wir die alte unzerstörbare Eisenbahn- und die neue fragile Autobahnbrücke.