Am Beispiel des Hummers

Ich habe vorletzte Woche im SPIEGEL einen Bericht über David Foster Wallace gelesen, einen US-Autoren, der im vergangenen Jahr freiwillig aus dem Leben geschieden ist, nachdem er sich 30 Jahre lang schwerer Depressionen erwehren musste. Das Antidepressivum veränderte ihn, er hatte das Gefühl, dass der Wirkstoff seine Emotionen bremste. Er konnte nicht mehr schreiben, setzte das Medikament kurzerhand ab und beendete sein Leben.
Richard Powers sagt über ihn: Der Beste unserer Generation.
Foster Wallace schrieb komplexe Romane, aber auch längere Reportagen, die in Buchform erschienen sind. Ich bestellte Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich, ein Erfahrungsbericht einer Kreuzfahrt auf einem Luxusdampfer, doch leider verzögerte sich die Auslieferung des Buchs aus unerfiindlichen Gründen. Also bestellte ich ein anderes Werk: Am Beispiel des Hummers, eine Reportage vom Maine Lobster Festival. Ich habe das Büchlein unterdessen drei Mal gelesen. Foster Wallace durchdringt seinen Forschungsgegenstand geradezu, seine Beschreibungen gehen weit über das Ereignis des Lobster Festivals hinaus. Er erläutert Herkunft und Physiognomie des Hummers, um dann ausgiebig die beklemmende Frage zu erörtern, welche neurologischen Prozesse im Hummer ablaufen, wenn er in das kochende Wasser geworfen wird. Die Reportage war für die Feinschmecker-Zeitschrift Gourmet bestimmt. Ein brillanter Text. Wissenschaftliche Tiefe, philosophische Ausflüge, eine mächtige Sprache, Hyperrealismus, eine Prise Humor auch immer dabei.
Foster Wallace’ Hauptwerk Infinite Jest wurde in sechsjähriger Arbeit ins Deutsche übersetzt, es umfasst 1500 Seiten und liegt seit einigen Tagen unter dem Titel Unendlicher Spass in den Buchhandlungen. Leider noch nicht im Stauffacher. Aber sobald ich das Buch entdecke, werde ich es kaufen.