Stalingrad

Der erste Teil des Lese-Marathons ist (überraschend schnell) absolviert: Stalingrad von Grossman gelesen. Ein monumentales Werk, Jahrhundertroman ohne Zweifel, und doch bleibe ich ein wenig enttäuscht zurück. Gar viel Pathos und Lobpreisung des sowjetischen Menschen. Zensur und alles, schon klar, und nochmals danke für die Zerstörung der Nazis, aber vor dem aktuellen Hintergrund (Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine) ist das alles schwer zu verdauen.

Stilistisch hervorragen, wunderbare Spache, denkwürdige Bilder, die beschworen werden. Das Buch hallt nach. Ein Beispiel, die Rotarmisten verteidigen bis zum letzten Mann den Stalingrader Bahnhof gegen die heranstürmenden Angreifer:

Aber niemand sah von den Häusern am Ufer aus, wie sich am Bahnhof ein älterer Mann mit eingefallenen Wangen und schwarzen Bartstoppeln, beschienen von der schräg einfallenden Sonne, aus einem dunklen Erdloch erhob, mit einer Handgranate zum Wurf ausholte und sich mit hellem, aufmerksamem Blick umschaute.

Miteinander wetteifernd, ratterten blindwütig die Maschinenpistolen los, er aber stand noch immer in einer gelblichen Staubwolke, und als er nicht mehr zu sehen war, schien es, er wäre nicht als toter blutiger Klumpen zu Boden gestürzt, sondern hätte sich in dem staubigen milchig gelben Nebel aufgelöst, der in den Strahlen der Morgensonne hing.

S. 1137

Auf Stalingrad folgt Leben und Schicksal, das soll düsterer sein, weil die Erfahrung der Nachkriegszeit mit einfliesst und Grossman erkannte, dass nicht nur Hitler, sondern auch Stalin ein Monster war.