1:12

Ich habe lange über diese Initiative nachgedacht, länger als über jede andere Abstimmung der vergangenen 15 Jahre. Bis ich erkannt habe, dass ich eigentlich nicht über die Initiative nachgedacht habe, sondern über mich selber.

Vor 10 Jahren hätte ich ohne nachzudenken ein Ja in die Urne gelegt. Keine Diskussion. In den letzten Tagen war ich nahe daran, mich dem Nein-Lager anzuschliessen. Warum?

Bei einem Ja werden die grossen Konzerne entweder abhauen oder die neue Regelung geschickt umgehen. Die KMUs hingegen, das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft, werden 1:12 voll abbekommen und zwar nicht, weil der Chef dann weniger verdient, neinnein, denn in den meisten KMUs verdient der Chef nicht 12x mehr als der Büezer, sondern weil sie (1) administrativen Aufwand haben werden (um ihre Unschuld zu beweisen) und (2) vielleicht nicht mehr an Grosskonzerne verkaufen können, weil diese abgehauen sind. Das Problem ist doch: die Grossen können die Unannehmlichkeiten auf die eine oder andere Art umgehen, die Kleinen aber können dies nicht. So bestraft man genau jene, die sich korrekt verhalten haben.

Also wollte ich Nein stimmen. Dann habe ich mich mit Thom unterhalten. Am Ende der Diskussion sind wir bei der Frage angelangt, in welcher Welt wir leben wollen. Soll die Politik nur noch als Befehlsempfänger der Wirtschaft dienen, in deren Schutz sich einige Wenige hemmungslos bereichern? Haben wir eigentlich noch irgendwas zu melden?  Wollen wir in einer Welt der Angst leben, immer darauf bedacht, es nicht mit den Reichen zu verscherzen, weil sie den Grossteil der Steuereinnahmen generieren und ständig mit der Abwanderung nach Singapur drohen? Wollen wir uns von solchen Idioten in Geiselhaft nehmen lassen? Eine geradezu bizarre Vorstellung.

Ich weiss, überspitzt formuliert und vielleicht auch falsch, wird der Komplexität des Themas nicht gerecht, aber ich sehe bei den Gegnern der Initiative trotz Beteuerungen, dass überrissene Millionengehälter inakzeptabel sind, überhaupt keine Anstrengungen, diese Ungleichheiten zu beseitigen. Null Ideen. Deshalb ist es an der Zeit, den Punk wieder von der Leine zu lassen.