Altmanns Jugend

Ich habe in den letzten Wochen einige Romane gelesen. Zunächst schenkte mir Laure den zweiten Allmen-Band von Martin Suter, der neuerdings Krimis schreibt. Das Büchlein liest sich wie stets bei Suter sehr leicht, ich mag seine einfache und exakte Sprache, doch die Handlung ist im Gegensatz zu seinen übrigen Büchern nur mässig mitreissend. Weil mich dieser Leistungsabfall doch erheblich irritierte, kaufte und schenkte ich Laure den ersten Allmen-Band. Ich las ihn ebenfalls. Auch dieses Büchlein ist nicht überzeugend, aber interessant: ich weiss schon jetzt, dass ich mir auch den nächsten Allmen-Krimi kaufen werde. Irgendwas hat dieser Suter. Ich komme nicht dahinter. Vielleicht ist es diese elegante Art, reiche Menschen zu schildern.

Das völlige Kontrastprogramm war der nächste Roman, von dem ich in der Zeit las, den ich in der Buchhandlung zunächst nicht finden konnte, weshalb ich den Titel einer Verkäuferin vortrug: Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter und meine eigene Scheißjugend von Andreas Altmann. Die autobiografische Schilderung der Kindheit und Jugend des Autors, geprägt von Prügel, Beschimpfungen, Demütigungen und Misshandlungen durch den (psychisch) kriegsversehrten Vater im idyllischen Wallfahrtsort Altötting.

All die Erniedrigungen, die Altmann ertragen musste, haben ihn nicht gebrochen. Das ist das wundersame an dieser an Grausamkeiten nicht armen Jugend. Viele Jahre nach dem Tod seines Vaters hat es eine Annäherung zwischen den beiden gegeben; in einem russischen Dorf, in das Altmann als Reporter reiste und wo ihm eine 88-jährige Frau erzählte, dass ihr Mann im Grossen Vaterländischen Krieg gekämpft und als einer der wenigen lebend zurückgekommen sei. Eine Woche nach der Rückkehr griff er zu seiner ersten Wodkaflasche und versoff fortan den Rest seines Leben. “Er ist”, so übersetzte der Dolmetscher, “am Krieg gestorben.” Genau wie Franz Xaver Altmann, der Rosenkranzkönig, Andreas Altmanns prügelnder Vater. “Er lebte”, wie Altmann zum Schluss des Romans feststellt, “mit dem falschen Beruf zur falschen Zeit am falschen Ort, mit der Arschkarte in beiden Händen.”

Altmann hat sich nie mit seinem Vater versöhnt, wie könnte er auch, aber er hat irgendwie seinen Frieden mit ihm gemacht. Andreas Altmann, der Unbeugsame. Das Buch ist übrigens seinem Bruder gewidmet, dem einen, dem Tapferen.