Gurten 2008

Mit lediglich 6-monatiger Verspätung hier der Erfahrungsbericht vom Gurtenfestival 2008.

Ich habe mich auch dieses Jahr auf den Gurten begeben, um dem zeitgenössischen Musikschaffen zu huldigen. Bei meiner Premiere vor einem Jahr konnte man das ganze Wochenende getrost in die Tonne treten: unablässig regnete es und die einzige Band, die ich tatsächlich hören wollte (die britische Kapelle Razorlight) konnte aufgrund der garstigen Wetterverhältnisse nicht anreisen.
Nach dem letztjährigen Desaster waren die Erwartungen für dieses Jahr bescheiden und ich habe lediglich einen 1-Tages-Pass für den Donnerstag gekauft, denn da spielten zwei vortreffliche Formationen (wie man nicht müde wurde, mir einzuflüstern): Kaiser Chiefs und The Chemical Brothers. Von ersterer habe ich eine Platte zu Hause, von den Chemiebrüdern wurde mir gar Wundersames berichtet, dass ich dachte: warum auch nicht. Und Donnerstag ist das Terrain noch begehbar, auch wenns regnet.
Also inmitten der bereits erschreckend besoffenen Jugendlichen rauf auf den Berg, raus aus der Bahn, und da steht auch schon Herr Reufer vor mir, mit seiner Kamera die ausgelassene Stimmung in digitale Bilder packend. Verabredung zum Bier, später, dann rauf aufs Festivalgelände, Überblick verschaffen, Banane kaufen am Gemüsestand. Jetzt musst du wissen: beim Gurtenfestival gibt es drei Bühnen: Hauptbühne, Zeltbühne, Waldbühne. Ich oszilliere für gewöhnlich zwischen Haupt- und Zeltbühne, Waldbühne eher Nebenschauplatz. Nun Bewegung auf der Hauptbühne, Hannes Hug erscheint, erzählt ein bisschen was, Abgang Hug, Auftritt Kaiser Chiefs. Der Frontman scheint nicht besonders motiviert und macht keinen Hehl daraus, dass er mit der Gesangsleistung des Publikums unzufrieden ist. Früh schon ziehen die Kaiser Chiefs ihre Trumpfkarte aus dem Ärmel: Ruby. Begeisterung allerorten, Mitgegröle, Mitgehüpfe, doch bereits beim nächsten Titel wieder Totenstille vor der Bühne, weil Song gänzlich unbekannt. Ich nun raus aus dem Gedränge, Rückzug zur Milchtheke, Getränk kaufen und von weiter hinten nach vorne glotzen. Zwischenzeitlich schien sich der Frontman am Bein verletzt zu haben, er humpelte verdächtig. Wahrscheinlich ist er bei seinem kleinen Ausflug auf ein Stahlgerüst unweit der Bühne auf die Schnauze gefallen. Nach 90 Minuten ist der Zauber vorbei. Obwohl es nicht so recht geklappt hat mit dem Konzert, so war ich doch überrascht, wie viele grandiose Lieder die Kaiser Chiefs in den letzten Jahren geschrieben haben.
Dann beginnt es zu regnen. Wenig überraschend, ein Blick auf den wolkenverhangenen Himmel lässt nichts Gutes erahnen. Was mich dann doch überrascht ist die Intensität des Niederschlags: sintflutartig. Tut der lockeren Stimmung natürlich keinen Abbruch, Besoffene kennen keinen Schmerz und keine Hemmung. Ich spanne meinen Schirm auf und mache mich auf den Weg zur Zeltbühne, als mich ein SMS von Reufer erreicht: Bier an der Bierhübeli-Bar, jetzt! Also zurück zur Bar, natürlich kein Platz, weil durchnässte dampfende Körper sich unter dem Zelt drängen. Irgendwann sichte ich Reufer, bisschen quatschen, Unmut über den Regen zum Ausdruck bringen, Bier trinken. Dann muss er auch schon weiter, natürlich, Bilder schiessen.
Ich schlendere ganz entspannt zur Zeltbühne hoch, dort musiziert eine mir unbekannte Band, alles ganz besinnlich, gefällt mir gut.
Langsam wird es Zeit für The Chemical Brothers. Ich bin kein grosser Verfechter von elektronischer Musik, aber was die beiden Briten an diesem Abend hoch über Bern abliefern, ist schon aller Ehren wert. Gigantisches multimediales Spektakel mit Audio, Video und Laserkanone, eine fulminante Reizüberflutungswelle bricht über mir zusammen, noch nie gesehen so was. Gegen Ende des Konzerts wurde mir kalt und ich ging nach Hause.
Fazit: wunderbares Festival, grossartige Bands, schlechtes Wetter, aber offenbar muss das so sein. Jedenfalls werde ich nächstes Jahr wieder da oben stehen, neben der Milchtheke, mit einem Vanille Shake in der Hand.

Zum Abschluss die letzten Zeilen eines Kaiser Chief Songs, den ich auf dem Gurten zum ersten Mal gehört habe:

We are the angry mob,
We read the papers every day,
We like who we like, we hate who we hate,
But we’re also easily swayed.

We are the angry mob.

Ch. Herzig und Th. Reufer gewidmet

One response to “Gurten 2008”

  1. […] zwischen Haupt- und Zeltbühne  oszillierende (Ausdruck Zaugg) Menge, in dessen Strom man sich ebenfalls hin- und her […]