Am Bruchweg

Es war bitterkalt am letzten Samstag, als ich mich mit Laure und Holger guten Mutes auf den Weg machte nach Mainz, Stadion am Bruchweg, wo wir die Roten (=Hannover 96) nach verpatzem Rückrundenstart siegen sehen wollten. Spiel eins nach der Entlassung von Trainer Bergmann. Mirko Slomka soll der verunsicherten Mannschaft nun neues Leben einhauchen. Nach dem tragischen Tod Robert Enkes lief nicht mehr viel zusammen bei den Roten, sieben Spiele ohne Sieg, auf Platz 16 abgerutscht, der zur Teilnahme an den Relegationsspielen gegen den dritteplatzierten Zweitligisten berechtigen würde. Gilt es zu vermeiden, weil Zitterpartie. Immerhin haben uns die Roten noch bei jedem Auswärtsspiel, das wir besucht haben, mit mindestens einem Punkt beschenkt: 1:2 Auswärtssieg in Stuttgart und 2:2 in Hoffenheim.
Das Stadion am Bruchweg ist nicht gerade eben ein Schmuckstück, eher Zweckbau, bisschen hingebastelt, aber gemütlich, liegt mitten in der Stadt, ungefähr 22000 Fans passen rein, deren 20000 waren an jenem Nachmittag im Stadion, darunter wir und einige hundert Hannoveraner. Vor dem Anpfiff noch kurz zum Bahnhof spaziert, um Holgers Gepäck in ein Schliessfach zu sperren, damit er nach Spielschluss leichtfüssig den Zug in den Norden erreicht.
Wir entschieden uns für Stehplätze, was eine gute Sache ist, denn damit befanden wir uns inmitten der Schreihälse und Mitgröler, wo das Leben und die Leidenschaft tobt. Das Problem im Stehplatzsektor sind nicht die angetrunkenen, ewig unzufriedenen Fans, die ihren Unmut in kurz knappe Sätze packen und auf das Spielfeld schleudern, sondern die Anhänger, die in der ersten Reihe ihre riesigen Fahnen schwenken und damit allen übrigen Zuschauern die Sicht nehmen. Wodurch wir prompt den ersten Angriff der Mainzer verpassten, der auch gleich in ein Gegentor mündete. Stimmung im Gäste-Sektor danach kurz auf dem Tiefpunkt, also rückte Holger aus, um Bier zu besorgen. Die Situation auf dem Spielfeld stabilierte sich ein wenig, die Roten steigerten sich minimal, ohne sich allerdings zwingende Torchancen zu erarbeiten. Auch vom grossen Jiri Stajner war nicht viel zu sehen, bekam keine Bälle.
Zur Pause nochmals Bier holen, aber man konnte so viel Bier trinken wie man wollte, das Spiel verharrte auf tiefem Niveau: Die Mainzer machten hinten dicht und die Roten fanden kein Mittel, das Abwehrbollwerk zu durchbrechen. Und so geschah auch die gesamte zweite Halbzeit über genau nichts. Die Mainzer gewannen dank ihres frühen Treffers mit 1:0 und die Roten erspielten sich während der gesamten 90 Minuten nicht eine einzige Torchance.
Die H96-Anhänger waren nach dem Schlusspfiff entsprechend verärgert und erzürnt, sie schrien “Wir haben die Schnauze voll” und sonst noch so einiges, das hier nicht niedergeschrieben werden soll. Die Spieler entschwanden rasch in die Katakomben. Wir verliessen den Mainzer Bruchweg enttäuscht und durchfroren. Sieht momentan besorgniserregend aus. Wenn das so weiter geht, dann oleole 2. Liga.