Wie Gott in Frankreich

Lange habe ich es vor mich hingeschoben, beinahe wollte ich nicht mehr darüber berichten, nicht weil es negativ konnotiert wäre, ganz im Gegenteil, vielleicht wollte ich es einfach für mich behalten, mit niemandem teilen, bisschen egoistische Anwandlungen, ja was glaubst denn du.
Doch Laure ermahnt mich in regelmässigen Abständen, doch einige Zeilen zu tippen über unsere Ferien und so soll es sein.
Letzten Herbst sind Laure und ich nach Frankreich gefahren (na ja, sie fuhr, ich nebendran, schlafend), Eltern, Schwester und Grossmutter besuchen und Reims, Paris, Nizza. Jetzt natürlich: Eltern erstmals begegnet, Nervösität Hilfsausdruck, aber ich versuchte mich ungezwungen zu geben, kommunikativ, trotz meines immer noch bemitleidenswerten Französisch. Das Geheimnis bei den Sprachen ist: man muss sprechen, losplappern, auch wenn in jedem Sätzchen Fehler schlummern, was solls, man muss diese Mauer des Schweigens überwinden und raus ins Tränenmeer der Grammatik. Ging alles unfallfrei über die Bühne, wir mögen uns. Gespräche: geistreich. Essen: herrlich.
Dann weiter nach Paris zu Laures Schwester. Jetzt Paris: Weltstadt. Da können sich andere Weltstadtaspiranten ein grosses Stück abschneiden. Paris: Pulsierend, Grell, Leben, Gestank, Geschäftigkeit, Kultur. Was man in Paris gesehen haben muss: das Grab von Jimmy Morrison und den Basquiat im Centre Pompidou. Eins nach dem anderen. Das glaubst du nicht, aber am Grab von Jimmy Morrison stehen immer noch einige trauernde Fans, Bier trinkend, sinnierend, weinend. Zunächst haben wir die Grabstätte nicht gefunden, aber dann gute Idee: folge den Freaks. Danach im Pompidou meinen ersten Orginal-Basquiat gesehen: Slave Auction aus dem Jahre 1982. 15min vor dem Gemäde gestanden: elektrisierend. Gerne spreche ich hierbei von einem religiösen Erlebnis. Wenn ich malen würde, dann würde ich genau diese Art von Bildern malen. Wenn ich Geld hätte, dann würde ich genau diese Art von Bildern kaufen.
Dann weiter in die Provence zu Laures Grossmutter. 89 Jahre, erfrischend jung und geistig noch immer mächtig am Drücker (Geheimnis: Kreuzworträtsel). Essen wie Gott in Frankreich, Köstlichkeiten werden jeden Tag serviert, wo du denkst: herrlich. Ich habe mich durch das gesamte kulinarische Spektrum diese Landes gegessen und dazu floss der Champagner in Strömen. Jetzt beim Champagner musst du wissen: demi-sec ist besser als brute, weil mehr Zucker. Merk dir das.
Unfassbar heiss im Süden, selbst im September. Wir haben umliegende Städte besucht, wir waren am Strand und haben im Meer gebadet, die Wogen sind auf uns zugerollt, haben uns verschluckt und wütend wieder ausgespuckt. Dabei neues Verb gelernt: se légumer. Soll heissen: sich hinlegen, nichts tun, wahlweise berieseln lassen von sanftem Fernsehgequatsche.
So war das in Frankreich: superbe! Sie wissen zu leben, die Franzosen, selbst jetzt noch, da der Irre an der Macht ist.