My Brain is Open

Da ich jetzt bereits zum zweiten Mal davon gelesen habe, muss darüber berichtet werden.

Paul Erdös (1913 – 1996) war ein unfassbar produktiver Mathematiker: er veröffentlichte (als Autor oder Co-Autor) nicht weniger als 1500 Papiere (und dies in einem Fachgebiet, in dem eine Lebensproduktion von 50 Papieren als ausserordentlich angesehen werden darf).

Erdös hatte keinen festen Wohnsitz. Er reiste mit seinen zwei halb gefüllten Koffern von Konferenz zu Konferenz, von Universität zu Universität. Der eine Koffer enthielt einige Kleidungsstücke, der andere (natürlich) mathematische Abhandlungen. Abgesehen von diesen beiden Koffern und deren Inhalt besass Erdös nichts. Nichts. Er hatte keinen festen Wohnsitz, sondern klopfte an die Türen von Mathematik-Kollegen überall auf der Welt und verkündete: “My brain is open”. Die Kollegen beherbergten ihn dann einige Tage und besprachen mathematische Probleme. Diese Diskussionen mündeten oft genug in einer Veröffentlichung.

Im Gegensatz zu vielen doch eher eigenbrötlerischen Mathematikern war Erdös überaus freundlich, sozial und grosszügig. Es gibt diese Anektote: Erdös hörte von einem begabten jungen Mathematiker, der in Harvard studieren wollte, aber  nicht genug Geld aufbringen konnte, um das Studium zu finanzieren. Also lieh ihm Erdös eine stattliche Summe. Als der Mathematiker seine Schuld Jahre später begleichen wollte, lehnte Erdös ab und und schlug stattdessen vor, dass er mit dem Geld dasselbe tue, was er für ihn getan habe.

Erdös pflegte ein ungewöhnliches, aber durchaus amüsantes Vokabular:

“epsilon” = kleines Kind (der griechische Buchstabe beschreibt in einem mathematischen Kontext kleine Einheiten)

“bosses” = Frauen

“slaves” = Männer

“captured” = verheiratet

“liberated” = geschieden

“recaptured” = wieder verheiratet

“noise” = Musik

“poison” = Alkohol

“preaching” = Mathematik unterrichten

“X died” = X hat aufgehört, Mathematik zu betreiben

“X left” = X ist gestorben