GP von Bern 2010

Im Vollbesitz meiner physischen und psychischen Kräfte schickte ich mich auch dieses Jahr an, die 10 Meilen durch die Berner Altstadt und das angrenzende Umland zu laufen. Es war ein heisser Tag, die Hitze ruhte schwer auf meinen Schultern und ich befürchtete zurecht, dass es härter werden würde als im Jahr zuvor.
Am Vorabend des Rennens holte ich die Startnummer und liess mir im Asics-Zelt ein Plastik-Armband mit den Zwischenzeiten drucken, die mich zu 1:13:00 führen sollten.
Am nächsten Tag stieg ich zuversichtlich und beschwingt ins Rennen, doch bereits bei der Marke nach 5km lag ich hoffnungslos hinter der Vorgabe zurück: statt der geforderten 21:30 hatte ich 26:00 für die ersten 5km benötigt, was mich doch erheblich verwirrte, denn so langsam schien ich nicht zu laufen. Wie sich später zeigen sollte, war etwas mit der Anzeige nicht in Ordnung, aber das wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Da ich sowieso am liebsten nach Gefühl und nicht nach Zeitvorgaben laufe, entfernte ich den stummen Pacemaker, liess ihn am Wegesrand zurück und verliess mich fortan auf meine Intuition. Wie sich bald zeigen sollte, blieb die Hitze nicht ohne Wirkung. Die Strecke erschien mir länger als die Jahre zuvor, ich sah mich gezwungen, mehr zu trinken und insbesondere Kilometer 11 und die letzte Meile schienen kein Ende zu nehmen. Dies ist umso tragischer, als besagte letzte Meile für einen KEYMILE Mitarbeiter von grosser Bedeutung ist, denn dem schnellsten KEYMILE-Läufer auf diesem finalen Teilstück werden Ruhm und Ehre zuteil.
Zum Glück stand der Mann mit dem Dudelsack wie gewohnt auf der Monbijou-Brücke und befrachtete mich mit Optimismus und neuer Hoffnung, die mich durch die Altstadt, beim Bundeshaus vorbei, runter zum Bärengraben und rauf zum Stade de Suisse trug. Ich warf mich ins Ziel, zugegebenermassen überaus erschöpft, und beendete das Rennen in 1:13:45, exakt 13 Sekunden langsamer als letztes Jahr. In Anbetracht der grossen Hitze und der beängstigend schlechten Zwischenzeiten ein durchaus erfreuliches Ergebnis.
Ich habe mir später meinen Zieleinlauf auf der GP-Internetplattform angeschaut. Es ist erstaunlich: wenn du da einläufst, hast du das Gefühl, dass du ziemlich allein bist. Na ja, der eine oder andere Läufer kommt auch noch mit dir ins Ziel, aber so viele sind es nicht. Wenn du dir das Video anschaust, stellst du fest, dass Dutzende, Hunderte Läufer dich begleiten, von Einsamkeit keine Spur. Diese Tatsache stimmt überhaupt nicht mit der subjektiven Wahrnehmung überein. Und dein Laufstil ist auch nicht so elegant, wie du dir das so vorstellst.
Nachdem ich die Medaille in Empfang genommen hatte, das isotonische Getränk gierig durch die ausgetrocknete Kehle rinnen liess und die Banana aufgegessen hatte, stellte ich mich im Garderobenzelt unter die Dusche, umgeben von dürren Leibern. Danach machte ich mich auf den Weg zum Softice-Verkäufer, von dem ich ich grosses Erdbeer-Eis erstand und sogleich verzehrte.
Danach setzte ich mich ins Tram, liess mich zum Bahnhof karren, kaufte ich paar Bratwürste (wobei sich mein Magen beinahe umdrehte, als ich vor der Fleischtheke stand) und gondelte im 10-er Tram zu Chrigu, der ein überaus gelungenes KEYMILE We-are-the-Champions-Feschtli schmiss. Die Nachbarn hatten einen Fernsehapparat auf den Balkon gestellt und so nahm ich peripher wahr, dass Diego Milito seinen Verein Inter Mailand zum Champions League Titel schoss.

p.s. Dieses Jahr konnte ich Chrigu noch zum 40 Sekunden distanzieren, aber er hat mächtig aufgeholt. Im ewigen Duell steht es jetzt 2:1 zu meinen Gunsten, aber ich kann seinen heissen Atem in meinen Nacken spüren. Nächstes Jahr werden wir uns im gleichen Startblock wiederfinden und diese Geschichte wird weitergeschrieben.